Medienecho
Absurdistan im Büttelborner Café Extra
Es war bisweilen befremdlich und doch einzigartig, was "Ulan & Bator" auf der Kleinkunstbühne im Café Extra zeigten: Sebastian Rüger und Frank Smigies sind eigentlich Schauspieler, haben vor 20 Jahren den Theaterbühnen und dem Diktat der Regisseure den Rücken gekehrt. Seitdem bündeln sie erfolgreich die Vielfalt von Tanz, Rhythmus, a cappella, Stand Up, Lyrik und Sprachakrobatik in der freien Form des Kabaretts.
"Zukunst" heißt das Programm, das im Café Extra amüsierte, kritische Nachfrage anregte und auch Irritation hervorrief, wovon Blickwechsel unter den rund 40 Gäste zeugten. "Ironie - the Power of Zwischenzeilenlesen" ist die Stärke von "Ulan & Bator". Diese Komik, die sie mit Vergnügen biestig hintergründig zelebrieren, liegt nicht jedem. Indes: Der Vielfalt eine Bühne zu bieten, ist Devise im Café Extra und schließlich galt großer Beifall der Gäste auch der Unverwechselbarkeit, die "Ulan & Bator" entwickelt haben. Als "Deutschlands feinste Absurdisten" hatten die Organisatoren sie angekündigt.
Mit dem Überstülpen ihrer charakteristischen Ohrenklappenpudelmützen stiegen die beiden künstlerischen Allrounder in ihre Rollen ein: In bizarren Sketchen entlarvten sie Absurditäten durch sarkastische Zuspitzung der Themen. Konsumwahn, Lebensmittelverschwendung, TV-Krimiserien-Boom, mechanisierte Fabrikarbeit im stupiden Gleichtakt der Bewegungen oder auch die Frage nach der Gleichschaltung der Lebensläufe im Baukastensystem verordneter Normalität wurden mit bitterböser Lustigkeit karikiert.
Grünlich-pelzig und verschimmelt tritt ein Käsezwerg, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, als anklagende Mutation hervor: "Wie konntest du mich vergessen? Ich war ein wertvolles Produkt!" Der nachlässige Konsument erwidert bange: "Geh mit Gott, aber geh!" Der Käsezwerg, auferstanden aus genmanipulierter Milch, fleht indes, gnädig geschreddert zu werden. Doch der Verbraucher weist ihn kategorisch ab: "Küken schreddern geht - Käse schreddern nicht."
Oder: Wie im Gruselkabinett mutete die Doppelgängergeschichte unter Nachbarn an: Der eine stellt sich dem anderen vor - da erweist sich: Haus, Name, Vergangenheit gleichen sich bis aufs i-Tüpfelchen. Die Gleichschaltung des Menschen tritt zutage. Albtraum oder Realität? Schon eher zum Lachen animierte der aberwitzige Sketch vom Konsumenten, der nicht konsumieren will: "Guten Tag, ich will keine Einbauküche." Antwort: "Da sind sie hier richtig. Wir sind ein Sportgeschäft und garantiert einbauküchenfrei." Viel Applaus gab es auch für den treffsicher kombinierten Dialog aus typischen Sentenzen gängiger TV-Krimis, gekonnt waren Rhythmik und a capella, etwa zum Diktat der Wirtschaft: "Alles muss der Wirtschaft dienen - Schlendern, Verliebtsein, Melancholien." Heitere Wirkung hatten auch beiläufige Scherzworte des Duos: "Darf ich als Pazifist die Zeit totschlagen?" oder die Warnung an Autofahrer: "Vorsicht, es befinden sich Häuser neben der Straße."
Quelle: Groß-Gerauer Echo vom 14.06.2022 – Text: Charlotte Martin – Bild: Jana Schäfer