Medienecho

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Für Scholz-Parodie müsste man Pantomime können

Auch wenn manches stockte, auf den Fluss der Krisen konnte man sich in den vergangenen Jahren doch immer verlassen. Zum Einstieg in sein jüngstes Kabarettprogramm, das er denn auch „Im Fluss“ betitelt hat, zählte Urban Priol auf (kein Anspruch auf Vollständigkeit): Eurokrise, Flüchtlingskrise, Halbleiterkrise, Coronakrise, Lieferkettenkrise und die Ukraine-Krise, die eigentlich eine Russland-Krise sei. Hartnäckig halte sich die Missbrauchskrise der Kirchen. Darf man in solchen Zeiten noch Kabarett machen? „Man darf nicht nur, man muss sogar“, sagte Priol den knapp 300 Besuchern im Büttelborner Volkshaus.

Als der 60 Jahre alte Aschaffenburger 2019 sein Programm schrieb, war die Welt noch eine andere – auch noch beim ursprünglichen, Corona-bedingt dann verschobenen Aufführungstermin in Büttelborn am 29. Mai 2021. Priol vermutet: Hätte er vor Jahren noch erzählt, dass ein FDP-Finanzminister die Notwendigkeit von Rekordschulden predigen, und dass Grüne sich für die Lieferung von schweren Waffen in ein Kriegsgebiet einsetzen würden, wäre er in eine geschlossene Anstalt eingeliefert worden.

Die damals noch amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spielte aber auch im aktualisierten Priol-Programm eine Rolle. Vielleicht deshalb: Merkels Nachfolger Olaf Scholz (SPD) „kann man nicht parodieren“, lästerte der Kabarettist: „Da müsste man Pantomime können.“

Der Unterfranke erregte sich satirisch aber auch ob der ungleichen Maßstäbe, die bei Merkel und Scholz angelegt würden. Habe die Kanzlerin mal eine Zeit lang nichts von sich hören lassen („also ihr politisches Kerngeschäft in 16 Jahren Amtszeit“), habe es sorgenvolle Aufschreie in Medienlandschaft und Bevölkerung gegeben. Aber dem SPD-Kanzler werde Führungsschwäche vorgeworfen.

Verwoben, kunstvoll ineinanderfließend kam Priol thematisch vom Hundertsten ins Tausendste. Eben noch beim Wettlauf der Landesregierungen, wer in Hoch-Zeiten von Corona die schärfsten Vorschriften erließ, um sich später in Lockerungen zu überbieten, kam er zum Personalnotstand im kommerzialisierten Gesundheitswesen („Krankenhäuser, die eigentlich zu unser aller Gesundheit da sein sollten, sind an den Meistbietenden verramscht worden“). Auswüchse der digitalisierten Welt mit ihren Smartphone-Süchtigen, die streamen, tuben, sich auf Insta bewegen, nach Klicks gieren und massenhaft Hashtags setzen („Früher haben wir, wenn wir uns aufgeregt haben, einfach mal einen Hasch-Tag eingelegt“).

Zwischendurch kam Priol plötzlich auf den „größten Schwerenöter der Antike“ zu sprechen, den griechischen Götterchef Zeus und seine Verführungstricks. Nur, um jäh wieder im Heute zu landen.

Dringend notwendiger Klimaschutz, der aber an den „Klippen der Eigeninteressen“ zerschelle, Absurditäten übermäßigen Genderns und immer wieder der aufgeregte, schwatzhafte Umgang mit der Corona-Pandemie waren weitere Themen. Und sogenannten Spaziergängern, die Impfen als Kindesmissbrauch bezeichnen, schrieb der Satiriker ins Stammbuch: „Da könntet ihr jede Woche vor den Kirchen aufmarschieren.“

Ironisch beruhigen konnte Urban Priol die Ängstlichen, die sich vor einem russischen Einmarsch auch in Deutschland fürchten: So viele geländegängige Fahrzeuge hätten Putin und Konsorten gar nicht, denn deutsche Regierungen hätten „in den vergangenen Jahrzehnten taktisch klug eine marode Infrastruktur geschaffen“.

 

Quelle: Groß-Gerauer Echo vom 03.05.2022 – Text: Dirk Winter – Bild: Frank Möllenberg